Glückliche Familienzusammenführung mit Hindernissen
Über die Delegation des Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) in Libyen erreichte den DRK-Suchdienst das dringende Anliegen einer palästinensischen Familie aus Syrien: Die Mutter mit vier Kindern im Alter zwischen 11 und 20 Jahren lebte unter sehr schwierigen Verhältnissen in einem Flüchtlingslager in Tripolis/Libyen. Der Ehemann und Vater sei als Flüchtling nach Deutschland gelangt, gesundheitlich aber so beeinträchtigt, dass er sich selbst nicht um die Familienzusammenführung kümmern könne.

Der DRK-Suchdienst nahm Kontakt zu dem Betroffenen auf: Er war mit seinem ältesten Sohn in 2014 über das Mittelmeer aus Libyen geflohen und in Deutschland umgehend als Flüchtling anerkannt worden. Seit 2015 versuchte er, die restliche Familie nachzuholen; der Sohn studierte zwischenzeitlich bereits hier. Im Kontakt mit der zuständigen Ausländerbehörde bestätigte sich, dass die rechtlichen Voraussetzungen für den Familiennachzug voll erfüllt waren und der Betroffene sein Anliegen regelmäßig vorgetragen hatte. Dennoch musste sich die Familie scheinbar unüberwindbaren Hürden stellen:
Die Angehörigen in Libyen besaßen keine gültigen Pässe mehr; außerdem konnte der Antrag auf Familienzusammenführung nicht dort gestellt werden, sondern nur bei der nächstgelegenen deutschen Auslandsvertretung: In Tunis. Anders als andere frequentierte deutsche Auslandsvertretungen vergibt diese allerdings keine Termineinladungen, die als Einreisegrund vorzuweisen sind. Ohne Erteilung der Einreisevisa führte kein Weg nach Tunesien.
Dank der Unterstützung durch die IKRK-Delegation vor Ort schien es doch zu klappen. Bis Mutter und Kinder aber tatsächlich zur Deutschen Botschaft in Tunesien gelangten, um dort den Antrag auf Familienzusammenführung zu stellen, bedurfte es mehrerer nervenaufreibender Anläufe. Die Familienmitglieder wurden z.B. daran gehindert, gebuchte Flüge anzutreten. Ende 2017 endlich konnte die Familie ihren Antrag vor Ort stellen und reiste dann mit Hilfe des IKRK zurück nach Libyen, um dort auf das Ergebnis der Antragstellung zu warten; ein längerer Aufenthalt in Tunesien, etwa um auf die Erteilung von Visa zu warten, gestatten die tunesischen Behörden nicht.
Doch damit nahm die Geschichte noch immer kein glückliches Ende: Die Deutsche Botschaft erklärte, für die Mutter und drei der Kinder würden Visa ausgestellt. Das vierte Kind, das bei Antragstellung des Vaters noch minderjährig gewesen war, inzwischen aber volljährig, könne aber nicht mit einreisen. Dieses Kind der Familie leidet an Epilepsie und ist dringend auf Medikamente und familiäre Unterstützung angewiesen. Ein schwieriges Dilemma.
Um die erforderlichen qualifizierten Atteste aus Libyen beizubringen oder sich einer Untersuchung in einer Klinik in Tunis zu unterziehen, hätte der junge Mann erneut nach Tunesien reisen müssen; aufgrund seiner Erkrankung wieder mit seiner Mutter, die wiederum die übrigen Kinder nicht hätte in Libyen zurück lassen können. Die Situation erschien der Familie hoffnungslos.
Nachdem ein neues Attest aus Libyen eingereicht worden war, erklärte die Deutsche Botschaft, der nun volljährige Sohn dürfe mit der Familie einreisen, wenn Lebensunterhalt und Wohnraum für ihn in Deutschland gesichert seien. Der Vater konnte diese Anforderungen aufgrund seiner persönlichen Beeinträchtigung nicht erfüllen. Der in Deutschland lebende Bruder war bereit, sein Studium aufzugeben, um etwas zur Finanzierung beizutragen. Was tun?
Die zuständige Ausländerbehörde stand einer Einreise des kranken, nun volljährigen Kindes zusammen mit der restlichen Familie positiv gegenüber und wies darauf hin, dass der erforderliche Antrag noch zu Zeiten der Minderjährigkeit, also rechtzeitig, gestellt worden sei und damit keine weiteren rechtlichen Voraussetzungen bestünden.
Vater und Sohn in Deutschland fürchteten während dieser langen Zeit, dass die Ehefrau und Mutter die Zustände in Libyen und die katastrophalen Bedingungen in dem Flüchtlingslager nicht mehr aushalten und ihrerseits mit den Kindern auch über das Mittelmeer fliehen würde.
Kurz darauf dann die erfreuliche Nachricht der Deutschen Botschaft in Tunis, die Visa für alle Familienmitglieder würden erteilt. Die Familie müsse allerdings eine Krankenversicherung und Sprachzertifikate für die Erwachsenen vorweisen. Wieder Unverständnis und Nachfragen des DRK-Suchdienstes: Für Familienzusammenführungen zu anerkannten Flüchtlingen besteht rechtlich keine Verpflichtung zu Sprachnachweisen und einer Krankenversicherung. Zum Glück klärte sich dieser Irrtum schnell auf, so dass die Visa endlich abholbereit waren.
Wieder zogen sich die Ausreise aus Libyen und Einreise nach Tunesien hin, erneut kam das IKRK der Familie zur Hilfe. Knapp 5 Jahre nach der Trennung treffen Mutter und Kinder, Ehefrau und Geschwister, dann schließlich in Deutschland ein. Die Familie liegt sich glücklich in den Armen, bleibt aber seelisch tief gezeichnet von der aufreibenden Zeit ihrer Trennung und der belastenden Ungewissheit über das gemeinsame Schicksal.