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Interview

„Erste Hilfe für die Seele“ – PSNV-Fortbildungen der Suchdienstarbeit

Heiko Fischer von der Landeszentralstelle psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) im Institut für Medizinische Psychologie der Universitätsmedizin Greifswald.
Heiko Fischer von der Landeszentralstelle psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) im Institut für Medizinische Psychologie der Universitätsmedizin Greifswald. (Foto: Universität Greifswald)

Herr Fischer, bereits zweimal in diesem Jahr haben wir als DRK-Suchdienst und Personenauskunftswesen in Mecklenburg-Vorpommern Ihre Fortbildungsleistungen, auch bei der Regionalfachtagung NORD in Anspruch genommen. Unsere Mitarbeitenden waren begeistert. Für Ihre Beiträge wollen wir uns herzlich bei Ihnen bedanken und Ihr Tätigkeitsfeld auch anderen Interessierten aufzeigen.

Was ist aber Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV)? Wie sind Sie – wenn ich fragen darf – zu diesem Bereich gekommen?

Unter dem Begriff Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV) werden – um das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe zu zitieren – „alle Maßnahmen und Strukturen der Prävention, sowie der kurz-, mittel- und langfristigen Versorgung im Zusammenhang mit belastenden Notfällen beziehungsweise Einsatzsituationen" verstanden.

Gekommen bin ich dazu, weil ich mich für die ehrenamtliche Tätigkeit ausbilden lassen habe. Darüber hinaus habe ich persönlich Erfahrungen mit belastenden Einsätzen sowie entsprechender Versorgung gemacht.

Wer kann die PSNV leisten? Ist das ein Angebot nur für Psychologen, Therapeutinnen und Mitarbeitende aus dem sozialen Bereich? Wer sind die Menschen, die in Ihrem Netzwerk tätig sind?

Nein, in der ehrenamtlichen Psychosozialen Akuthilfe von Betroffenen in Notfall- und Krisensituationen sind alle Berufsgruppen vertreten. Es sind engagierte Menschen, die gefestigt im Leben stehen, mit Stress und Belastungssituationen umgehen und gut zuhören können.

Wer sind die Adressaten dieser Leistungen? Wenn man von Notfallversorgung spricht, ist das eher etwas mit einem Notfall, also einem Unfall oder Katastrophe, Verknüpftes. Also mit bedürftigen Menschen die eine extreme Situation erlebt haben. Brauchen wir als Menschen, die glücklicherweise solche Erfahrungen nichte gemacht haben, auch psychosoziale Versorgung? Wie können wir in unserem Alltag „psychosozial absichern“?

Die Notfallbegleitungs- und Notfallseelsorgeteams in Mecklenburg-Vorpommern unterstützen ehrenamtlich und kostenfrei die Arbeit von Rettungsdienst, Polizei und Feuerwehr. Die Teams werden immer dann aktiv, wenn Menschen plötzlich mit dem Tod, mit Notfällen oder Krisensituationen konfrontiert sind.

Notfallbegleiter und Notfallseelsorger unterstützen Betroffene in den ersten Stunden nach diesen Ereignissen bzw. nach dem Notfall. Sie hören zu, helfen dabei Angehörige zu kontaktieren und vermitteln weitere Ansprechpartner, wenn notwendig. Analog der „ersten medizinischen Hilfe“ leisten sie somit eine „erste Hilfe für die Seele“. Daneben gibt es in Mecklenburg-Vorpommern eine zweite Versorgungsstruktur – das SbE-Team M-V, ein Nachsorgeteam, das Einsatzkräfte nach belastenden bzw. schwierigen Einsätzen unterstützt und begleitet.

Wie würden Sie die psychosoziale Versorgung für Suchdienst- und Migrationsberatende sehen, die oft mit traumatisierten Menschen arbeiten und diese sehr oft jahrelang bei bürokratischen Angelegenheiten begleiten?

Hier sehe ich v.a. den Arbeitgeber in der Pflicht, da dieser gem. DGUV für seine Mitarbeiter eine Gefährdungsanalyse zu psychischen Belastungen erstellen muss und sich daraus Maßnahmen herleiten.

Könnten oder sollten sogar die Suchdienst-, Migrations- oder Sozialberater der Wohlfahrtsverbände die PSNV-Ausbildung abschließen? Wer bietet so etwas an?

Nein, das denke ich nicht. Aber es sollten Anteile in deren Ausbildungen eingebunden sein, die eindeutig auch in der PSNV-Ausbildung enthalten sind. Hier sehe ich zum einen den Umgang mit Belastungen im Rahmen der Primären Prävention, die Kenntnis von PSNV-Strukturen - um bei Bedarf zu vermitteln - und eine Grundqualifizierung im Umgang mit Betroffenen (Psychische Erste Hilfe).

Beim DRK-Suchdienst, aber auch bei anderen Wohlfahrtsverbänden, spricht man aktuell oft von der Notwendigkeit der Supervision, die von Beratenden in Anspruch genommen werden soll. Wie würden Sie das beurteilen? Wie sollten – Ihrer Meinung nach – solche Supervisionen aussehen? Würden Sie das als psychosoziale Absicherung betrachten?

Speziell hinsichtlich Migrations- oder Sozialberatung halte ich die Supervision für eine gängige und positive Praxis. Hierbei handelt es sich um eine fallspezifische Begleitung, die auch Entscheidungsprozesse unterstützt. Dabei bietet die Supervision auch eine Plattform für einen langfristigen Austausch und eine Bearbeitung.

Wie funktioniert das PSNV-Netzwerk in Mecklenburg-Vorpommern? Wer kann Ihre Dienste in Anspruch nehmen?

Im Falle der Psychosozialen Akuthilfe für Betroffene werden PSNV Einsatzkräfte direkt über die zuständigen Leitstellen angefordert. Die Einsatznachsorge kann von allen Blaulichtorganisationen direkt oder über die Leitstellen angefordert werden.

Wie sehen die Strukturen der PSNV in anderen Bundesländern aus? Wo sind die Ansprechpartner zu finden?

Die Strukturen in den Bundesländern sind zwar nach bundeseinheitlichen Qualitätsstandards ähnlich, aber nicht gleich.

Einen Überblick der Ansprechpartner in den Ländern bietet die Internetseite der länderübergreifenden Facharbeitsgruppe PSNV unter lfag-psnv.de

Vielen Dank für das Gespräch!

Interview: Dr. Marcin Przybysz

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