Reportage
Anastasia Ovsjannikov über die Rückkehr zu ihren deutschen Wurzeln

Anastasia Ovsjannikov wurde 1981 in Kasachstan geboren. Ihre Großmutter war Mitglied der Mennoniten, einer evangelischen Freikirche, und gehörte der deutschen Minderheit in der Ukraine an; Zeit ihres Lebens hatte sie Deutsch gesprochen.
Im Jahr 1941 wurde die Familie wegen ihrer deutschen Volkszugehörigkeit nach Kasachstan zwangsumgesiedelt. Grund dafür war ein Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjets, nach dem sich in den Wolgagebieten unter der dortigen deutschen Bevölkerung rund Zehntausende von “Diversanten und Spionen” befänden. Ihnen unterstellte man pauschal, auf ein von Deutschland ausgehendes Signal hin Sabotageakte in den von Wolgadeutschen besiedelten Gebieten auszuführen. Infolgedessen wurden Strafmaßnahmen gegen die gesamte deutsche Bevölkerung des Wolgagebietes ergriffen. Im Dekret als „Umsiedlung“ in Gebiete östlich des Urals deklariert, wurden die Maßnahmen in der entsprechenden Durchführungsverordnung als „Verbannung“ bezeichnet, und im weiteren Verlauf auf alle Deutschen im europäischen Teil des Landes ausgedehnt.
Über 40 Jahre später besucht Anastasia Ovsjannikov mit sieben Jahren deutsche Kulturvereine in ihrer damaligen Heimatstadt Karaganda und beginnt auch, richtig Deutsch zu lernen. „Wir haben sogar regelmäßig das Oktoberfest gefeiert“, erinnert sie sich.
Im Jahr 2013, mit damals 32 Jahren, siedelt sie gemeinsam mit ihrer Mutter, ihrem Ehemann und den beiden gemeinsamen Kindern nach Deutschland über. „Mein Onkel ist schon 1994 nach Aachen ausgewandert“, sagt sie. „Daher sind wir auch nach Aachen gegangen“.
Zur Beantragung der Einreise sind für sie -genauso wie für andere Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler- Sprachnachweise, Nachweise über die Abstammung von einem deutschen Eltern- oder Großelternteil, das Bekenntnis zum deutschen Volkstum und Nachweise über deutsche Verwandtschaftsbeziehungen sowie andere Dokumente wichtig. Der DRK-Suchdienst unterstützt und berät die Familie im komplexen und aufwendigen Verfahren.
Über die Jahre sind auch andere Verwandte von Anastasia Ovsjannikov ihr nach Deutschland gefolgt. Die Ausreise ihres Bruders mit seiner Frau während der strengen Reisebeschränkungen der COVID-19-Pandemie gestaltet sich besonders kompliziert, da die Frau pflegebedürftig und auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Auch ihre Großmutter, die einst in der Ukraine geboren worden war, kam nach Deutschland und ist schließlich hier verstorben.
Heute ist Anastasia Ovsjannikov im ersten Ausbildungsjahr zur Pflegekraft – ein Entschluss, den sie nach der intensiven Pflege ihrer Großmutter getroffen hat. „Bevor meine Oma starb, habe ich mich lange um sie gekümmert. Da war es naheliegend, diesen Weg einzuschlagen“, erzählt sie. Ihr Mann arbeitet als Monteur für Solaranlagen; das Paar hat inzwischen vier Kinder.
„Ich bin sehr dankbar, dass wir diese Möglichkeit hatten“, sagt Anastasia. „Es ist hier einfach alles besser als in Kasachstan.“
Weitere Informationen zu den Angeboten des DRK-Suchdienstes für Spätaussiedler finden Sie online.
Wie der DRK-Suchdienst dabei hilft, getrennte Angehörige wieder mit ihren Familien zu vereinen, wie diese Arbeit begonnen hat und warum sie bis heute so wichtig ist, beschreibt der Suchdienst-Kurzfilm: „Für die Einheit der Familie“.